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Das Rentier: mehr als nur „Rudolph“

Jetzt zur Weihnachtszeit hat das Thema „Rentier“ wieder Hauptsaison. Rentiere schmücken fast jedes Schaufenster und alle erdenklichen Dekorationsartikel, auch wenn diese weihnachtlichen Dekorationen oft wenig Ähnlichkeit mit den echten Exemplaren haben. Ab und zu sind auf Weihnachtsmärkten sogar echte Rentiere zu bestaunen.
Trotz all dieser Aufmerksamkeit, die das Rentier zumindest zu dieser Zeit des Jahres bekommt, wissen die meisten Leute doch recht wenig über diese Hirschart. Tatsächlich habe ich schon einmal einen ungläubigen Blick geerntet, als ich erläuterte, dass Rentiere tatsächlich „real“ sind und nicht nur Fabelwesen vor dem Schlitten des Weihnachtsmannes.

Das Rentier oder Ren (Rangifer tarandus) gehört zur Familie der Hirsche (Cervidae). Rentiere sind sowohl im nördlichen Eurasien als auch in Nordamerika zu finden; die dortigen Tiere werden zwar Karibu genannt, gehören jedoch zur gleichen Art. Die Zahl der Unterarten wird meistens auf 14 begrenzt, zwei davon sind bereits ausgestorben. Generell erfolgt eine Einteilung in Tundren- und Waldrentiere. Ihr Fell ist grau bis bräunlich und im Winter meist dunkler als während des Sommers. Vor allem bei Hausrenen kommen auch gefleckte und komplett weiße Exemplare vor. Größe und Gewicht sind sehr variabel, je nach Unterart haben Rentiere eine Schulterhöhe von 85 bis 140cm, bei einem Gewicht zwischen 60 und 300kg, wobei die Männchen generell größer und massiger sind.

In deutschen Zoos findet man sowohl das Europäische Waldren (Rangifer tarandus fennicus) als auch das Kanadische Waldrentier (Rangifer tarandus caribou). Am Häufigsten wird jedoch die Haustierform (Rangifer tarandus f. domestica) gehalten.

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Männliches Hausrentier im Zoo Wuppertal
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Das Europäische Waldren hat etwas längere Beine als das Hausrentier. Hier ein Männchen im Burger’s Zoo Arnheim

Diese Hirschart ist die einzige, die vom Menschen domestiziert werden konnte. Schon vor 5000 Jahren hielten sibirische Völker halbwilde Rentierherden und bis heute hat sich diese Tradition unter anderem auch in Lappland gehalten. Rentiere dienen sowohl als Fleisch- und Hautlieferanten sowie als Zugtiere.

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Hausrentiere können gefleckt oder sogar ganz weiß sein, wie dieses Exemplar in der ZOOM Erlebniswelt Gelsenkirchen

Tatsächlich sind Rentiere die einzigen Hirsche, bei denen die Weibchen auch ein Geweih tragen, wobei dieses jedoch deutlich kleiner ist als das der männlichen Tiere. Die Rangordnung innerhalb der Herden wird maßgeblich von der Größe des Geweihs bestimmt.

Ein wenig Magie ist doch im Spiel

Zwar ist bisher noch kein Rentier mit leuchtend roter Nase aufgetaucht, dafür ist jedoch seit einiger Zeit bekannt, dass Rentiere ihre Augenfarbe wechseln können. Zwar betrifft dies nicht die eigentlich farbgebende Iris, doch Rentiere besitzen, ähnlich wie Katzen und Hunde, hinter der Netzhaut eine reflektierende Schicht, genannt Tapetum lucidum. Das von dieser Schicht reflektierte Licht passiert die Netzhaut ein zweites Mal, sodass eine größere Lichtmenge in das Auge fällt und den Tieren so ermöglicht, auch bei wenig Licht gut sehen zu können. Übrigens ist diese Schicht auch Ursache dafür, dass die Augen vieler Tiere leuchten, sobald sie beispielsweise mit einer Taschenlampe angeleuchtet werden oder man sie mit Blitzlicht fotografiert (das sollte man wenn möglich natürlich nicht tun!). Forscher haben herausgefunden, dass diese reflektierende Schicht bei Rentieren je nach Jahreszeit die Farbe wechselt: im Sommer ist diese gelblich, im Winter wird sie blau. Rentiere bewohnen Gebiete rund um den Polarkreis, und dort ist es im Winter ausgesprochen dunkel. Ein blaues Tapetum lucidum streut das spärliche Licht effektiver, sodass die Tiere auch während dieser dunklen Zeit potentielle Gefahren sicher erkennen können.

Leider können Rentiere nicht fliegen. Dafür legen einige nordamerikanische Tiere jährlich Wanderungen von bis zu 5000km zurück, weiter als jedes andere Landsäugetier. Zu diesen Wanderungen finden sich die Tiere oft zu tausenden, manchmal sogar hunderttausenden zusammen. Ein Rentier erreicht Spitzengeschwindigkeiten von 60-80km/h. Ihr dickes Fell besitzt gleich zwei Schichten, die sie vor der arktischen Kälte schützen: über der dicken Unterwolle liegen zusätzlich hohle Haare, welche als eine Art Isolierschicht fungieren.

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Das dicke Fell schützt die Tiere vor der Kälte

Rentiere ernähren sich von Gräsern, Blättern und Flechten. Vor allem im Winter besteht ihre Nahrung hauptsächlich aus der nach ihnen benannten Rentierflechte (Cladonia rangiferina). Sie sind als einziges Säugetier in der Lage, diese Flechten zu verdauen.

Rudolph ist ein Mädchen?!

Rentiere werfen, wie alle Hirsche, jährlich ihr Geweih ab. Ältere männliche Rentiere tun dies bereits Anfang Dezember, die jungen Männchen behalten ihr Geweih noch bis zum Frühjahr, ebenso wie die Weibchen. Letztere können sich so während dieser Zeit besser gegen die Männchen durchsetzen und haben somit auch Zugang zu den besseren Futterstellen. Dies hilft ihnen dabei, die bestmögliche Versorgung für sich und ihre ungeborenen Kälber zu sichern, welche in der Regel zwischen Mai und Juni zur Welt kommen.

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Hausrene in der ZOOM Erlebniswelt Gelsenkirchen

Da die Rentiere des Weihnachtsmannes auf so ziemlich allen Darstellungen mit Geweih abgebildet sind, handelt es sich bei ihnen also entweder um weibliche Tiere oder junge Männchen, welche jährlich ausgetauscht werden müssten.. wobei das sicherlich kein schöner Gedanke wäre.

Rentier, Elch.. ist doch alles das Gleiche!

Einfach gesagt: Nein!

Offenbar scheint es vielen Leuten schwer zu fallen, Rentiere, Elche und gelegentlich auch andere Hirsche auseinander zu halten. Zwar kommen Elche (Alces alces) und Rentiere in vielen Regionen gemeinsam vor, doch unterscheiden sie sich stark im äußeren Erscheinungsbild und Verhalten. Schon allein die Größe ist ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal: Rentiere erreichen eine maximale Schulterhöhe von etwa 140cm, große Elchbullen dagegen bis zu 230cm. Die Fellfarbe von Elchen ist weniger variabel und das Geweih älterer Bullen hat eine typische Schaufelform (junge Elchbullen tragen noch ein Stangengeweih).

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Elche haben ein dunkelbraunes Fell mit hellen Beinen. Hier ein Elchbulle mit Stangengeweih im Alpenzoo Innsbruck

Elche sind außerdem die meiste Zeit des Jahres Einzelgänger und finden sich nur zur Paarungszeit im Herbst zusammen.

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Elchkuh im Tierpark Berlin

 

Gefährdung durch den Menschen

Trotz der mitunter riesigen Herden von Rentieren wird der Bestand insgesamt als gefährdet eingestuft; bestimmte Unterarten sind davon besonders betroffen. Der Klimawandel verändert nach und nach den arktischen Lebensraum und bringt ihren natürlichen Lebensrhythmus aus dem Gleichgewicht, welcher auf den Wechsel der Jahreszeiten abgestimmt ist. Waldrentiere sind zudem durch die Abholzung der Wälder betroffen, und der Ausbau der Infrastruktur engt den Lebensraum vieler Populationen stark ein. Der Lebensraum der Rentiere ist in einigen Fällen leider auch von großem Interesse für Ölkonzerne. Vor allem das Arctic National Wildlife Refuge im nordöstlichen Alaska ist seit den 1970er Jahren Streitthema zwischen Ölkonzernen und Umweltschützern. Bisher wurden alle Anträge für Bohrgenehmigungen und den Bau einer Pipeline abgelehnt, doch vor allem republikanische Politiker machen sich immer wieder für das Vorhaben stark. Jedes Jahr wandern tausende Porcupine-Karibus (Rangifer tarandus granti) in dieses Gebiet, um dort ihre Kälber zur Welt zu bringen. Sollten die Anträge in Zukunft doch genehmigt werden, sieht die Zukunft dieser Tiere düster aus. Wer sich für die Wanderung der Porcupine-Rentiere interessiert, dem kann ich diese Website empfehlen. Dort gibt es ausführliche Informationen über die sehr gut dokumentierte Wanderroute und ihren Lebensraum. Außerdem fasst dieser Artikel noch einmal die Hauptgründe für den Rückgang vieler Rentierpopulationen zusammen.

 

Rentiere sind ausgesprochen interessante Tiere, welche auch außerhalb der Weihnachtszeit unsere Aufmerksamkeit verdient haben. Vor allem in Anbetracht ihrer derzeitigen Lage ist es wichtig, dass sich um ihren Schutz bestmöglich bemüht wird, damit auch folgende Generationen diese schönen Hirsche nicht nur als Teil eines Weihnachtsmärchens kennen.

 


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Eine Antwort auf „Das Rentier: mehr als nur „Rudolph“

  1. gut geschrieben! Das mit den Augen wusste ich noch nicht, oder dass sie als einzige Tiere die Rentierflechte verdauen können. Gut auch die Vergleichsfotos zwischen Hausren und Waldren. Man sieht deutlich die längeren Beine. Danke für die Infos!

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