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Zu Besuch im Internationalen Zentrum für Schildkrötenschutz

Schildkröten sind zwar vergleichsweise populäre Reptilien, doch wird ihnen in Sachen Artenschutz nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Dennoch sind viele Arten hochgradig bedroht und hätten diese Aufmerksamkeit deshalb bitter nötig. Vor allem im asiatischen Raum werden auch heute noch Schildkröten sowohl in der traditionellen Medizin als auch in der Küche häufig verwendet, nicht wenige Arten stehen dadurch kurz vor der Ausrottung. Bisher weiß man noch recht wenig über die dort heimischen Schildkröten, einige davon wurden tatsächlich erst als angebotene Ware auf den Wochenmärkten der einheimischen Bevölkerung entdeckt.

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Chinesische Dreistreifen-Scharnierschildkröte im IZS (Cuora trifasciata)

Im Anbetracht dieser äußerst kritischen Situation entschloss sich der erfahrene Schildkrötenzüchter Elmar Meier dazu, gemeinsam mit dem Allwetterzoo Münster das Internationale Zentrum für Schildkrötenschutz, kurz IZS, zu errichten. Auch die ZGAP (Zoologische Geselllschaft für Arten- und Populationsschutz) sowie die DGHT (Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde) halfen, neben vielen weiteren Förderern, dieses Projekt zu realisieren. 2003 war es soweit, die Station konnte eröffnet werden, Elmar Meier stellte hierfür seinen Bestand seltener asiatischer Schildkröten zur Verfügung. Die Station befand sich zuerst komplett hinter den Kulissen, mittlerweile wird das ehemalige Flamingo-Haus nahe des Eingangs als neuer Standort genutzt, um effektiver auf die Bedrohung dieser Tiere aufmerksam machen zu können. Die Station ist angegliedert an die BioCity des Allwetterzoos, in welcher der Erhalt der Biodiversität durch eine Forscherwerkstatt für Kinder und wechselnde Ausstellungen dem Besucher näher gebracht wird. Das Schildkrötenzentrum selbst kann vom Besucher nicht besichtigt werden, jedoch werden regelmäßig Nachzuchten in ausgewählten Terrarien präsentiert.

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Hier sind die tropischen Arten des Schildkrötenzentrums untergebracht (© L. Wolter)

Das Zentrum unterteilt sich in jeweils einen Raum für tropische und subtropische Arten, um jeder Schildkröte optimale Lebensbedingungen bieten zu können. Jedes adulte Tier hat ein eigenes, geräumiges und reich bepflanztes Becken, die Nachzuchten sind separat untergebracht. Derzeit werden 19 verschiedene Arten und Unterarten auf der Station gehalten. Der Hauptfokus liegt auf der Gattung Cuora (Scharnierschildkröten), aber es werden auch einige andere Arten gepflegt, wie etwa McCords Schlangenhalsschildkröte (Chelodina mccordi) und die Sulawesi-Erdschildkröte (Leucocephalon yuwonoi). Für die Zukunft ist geplant, diese Zahl zu reduzieren um eine gezieltere Fokussierung auf besonders bedrohte Spezies zu gewährleisten. Insgesamt schlüpften bisher schon etwa 600 Schildkröten auf der Station, von denen die meisten natürlich nicht mehr vor Ort sind, sondern an andere Zoos und Institutionen sowie engagierte Privathalter abgegeben wurden, um den Aufbau und Erhalt weiterer Zuchtgruppen zu gewährleisten. An dieser Stelle sollte einmal betont werden, dass das Engagement von Privathaltern für Projekte dieser Art unerlässlich ist, denn besitzen sie oftmals das nötige Wissen über die Vermehrung einiger heikler und seltener Spezies. Auch können sie sich auf einige wenige Arten spezialisieren, was für Zoos in dieser Form meistens nicht möglich ist. Neben der Kooperation mit Zoos und Privathaltern beteiligt sich das IZS auch an einem in-situ Projekt für Scharnierschildkröten in Kambodscha, in der dortigen Station werden noch einmal ca. 180 Exemplare der dort heimischen Art betreut.

Dennoch ist es nach wie vor sehr schwierig, ein erfolgreiches in-situ Projekt für diese Tiere zu etablieren, da noch immer unzählige Schildkröten für Medizin und Verzehr gefangen werden. Die Auswilderung von Exemplaren würde demzufolge erst dann wirklich sinnvoll sein, wenn der Handel mit den bedrohten Tieren eingedämmt werden kann. Solange die Nachfrage vor allem in China nicht nachlässt, ist damit auf längere Sicht jedoch nicht zu rechnen und somit sind Zuchtprojekte in menschlicher Obhut bislang die beste Möglichkeit, den Fortbestand dieser Schildkröten zu sichern.

Zootier des Jahres 2018: Die Scharnierschildkröte

Die Initiative „Zootier des Jahres“ macht durch Öffentlichkeitsarbeit in Zoos und durch Partnerorganisationen schon seit 2016 auf bedrohte Spezies aufmerksam und gewährleistet auch finanzielle Unterstützung für den Erhalt dieser Arten. Dieses Jahr wurde gleich die gesamte Gattung der Scharnierschildkröten zum Zootier des Jahres ernannt, da so gut wie alle dieser Tiere vom Aussterben bedroht sind und dennoch recht unbeachtet bleiben. Auch erhofft man sich dadurch, dass mehr zoologische Einrichtungen auf die Tiere aufmerksam werden und wenn möglich die Anschaffung von Scharnierschildkröten in Erwägung ziehen um sie auch den Besuchern näher bringen zu können. Die Gattung Cuora gehört zur Familie der Altwelt-Sumpfschildkröten (Geoemydidae), umfasst derzeit 13 Arten und ist über den gesamten südostasiatischen Raum sowie China verbreitet. Dem „Scharnier“ an der Bauchseite des Panzers verdanken sie ihren Namen; es ermöglicht den Tieren ihren Panzer bei Gefahr komplett zu verschließen. Scharnierschildkröten leben meist semiaquatisch an dicht bewachsenen Ufern von Sümpfen, Bächen oder Teichen.

Eine außergewöhnliche Art von Scharnierschildkröte ist aufgrund der Umstände ihrer Entdeckung Zhous Scharnierschildkröte (Cuora zhoui). Tatsächlich wurde diese Schildkröte bisher noch nie im Freiland beobachtet und wäre wahrscheinlich auch weiterhin unentdeckt geblieben, hätten fachkundige Personen sie nicht zufällig auf einem chinesischen Markt gefunden und als neue Art erkannt. Deshalb ist natürlich so gut wie nichts über die Biologie und die Zahl der verbleibenden Tiere bekannt. Es gibt nur eine handvoll Tiere in menschlicher Obhut und rund 70 Prozent dieser Population entstammt der Zucht des IZS, ein ungemein wertvoller Beitrag zum Fortbestand dieser Art.

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Einige Zoobesucher mögen sich angesichts der äußerst kritischen Situation dieser Tiere die Frage stellen, was sie selbst zum Schutz der Tiere tun können. Tatsächlich ist die Antwort hier ganz einfach: man sollte weiterhin Zoos besuchen, vor allem solche, die sich für den Erhalt dieser Tiere stark machen. Sehr viele Zoos investieren jährlich große Summen in den Schutz bedrohter Arten, und erst die Eintrittsgelder der Besucher machen dies möglich. Der Kauf einer Eintrittskarte finanziert also nicht nur den Fortbestand des Zoos und der dort gehaltenen Tiere, sondern ist ein außerdem direkter Beitrag zum Artenschutz. Des Weiteren sollte man beim Besuch von Ländern, in denen nach wie vor Schildkrötenprodukte angeboten werden, natürlich auf den Kauf und Verzehr dieser gänzlich verzichten.

 

Weitere Informationen sind unter anderem hier zu finden:

Zootier des Jahres

Allwetterzoo Münster

Internationales Zentrum für Schildkrötenschutz (IZS)

 

Ich möchte mich noch ganz herzlich bei Dr. Philipp Wagner für die tolle und umfangreiche Führung durch das Schildkrötenzentrum und den Allwetterzoo Münster bedanken! 🙂

 

 

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